Fläche: 99,14 km²
Einwohner: 18.118 (2019)
Übernachtungen: 4.826.838 (2019)
It’s been a while. Wann ich auf der letzten Insel war, kann ich nur mit Mühe nachvollziehen. Zuletzt war es gar nicht mehr Corona, das mich davon abhielt, weiterzumachen, sondern. Sondern? Sondern die Anreise, der Tourismus, die immer gleichen Abläufe, die immer gleichen Aus- und Anblicke, die begannen mich zu ermüden. Insofern ist es mir eine willkommene Abwechslung, dass ich diese eine Insel mal nicht mit der Fähre, sondern per Autozug erreiche. Und das ist natürlich gleich ein Ding. Also ja, es ist irgendwie ganz nett da mit dem Auto draufzufahren und rüberzujuckeln, aber trotzdem frage ich mich in diesen Tagen mehrmals, warum man nicht einfach eine Brücke hinüber baut (respektive den Damm um eine Straße erweitert). Offiziell: Es geht nicht. Hindenburgdamm bleibt Hindenburgdamm bleibt Bahndamm bleibt Bahndamm. Aber es scheint so klar wie der Himmel über Sylt an diesem sonnigen Herbstnachmittag, dass es die Bahn ist, die es zu verhindern weiß, hat sie mit dem stündlichen Hin und Her doch ein erträgliches Auskommen. So oder so gelange ich auf die Insel – und so ist es immerhin die erste, die ich nicht zunächst betrete, sondern befahre (der eigentliche Grund ist, dass das magere Fahrradabteil des IC schon frühzeitig ausgebucht war, wer hätte damit gerechnet).
Es geht direkt nach List, wo ich schon erwartet werde, denn auch diese Insel werde ich nicht alleine erkunden. Unterwegs eine Landschaft, wie ich sie puh selten oder vielleicht auch nie gesehen habe – eine Art Mondlandschaft, die mich an Fuerteventura erinnert, so weit das Auge reicht graue Hügel aus Stein und Sand, dazwischen braunes Gras und eine Straße aus Beton. In List fühle ich mich umgehend heimisch, nicht nur wegen der Freunde, die schon das Bier kaltgestellt haben, sondern auch, weil der Ort so überschaubar ist, das Wohngebiet noch so ursprünglich (auch wenn mittlerweile an der Straße nur noch Mittelklassewagen – gehobene Mittelklasse, so viel Genauigkeit muss sein – vom Festland parken), das Meer mich von drei Seiten umschließt. Die größte der deutschen Nordseeinseln zeigt mir aber auch meine Grenzen auf. Ich werde in diesen dreieinhalb Tagen nicht alles von ihr sehen, natürlich nicht. Ans Umwandern dieser Insel ist gar nicht zu denken, es würde nicht nur 2 Tage dauern, es wäre auch sterbenslangweilig. Auch das Radfahren von der Nord- bis zur Südspitze werde ich mir schenken, so gut ist das Wetter jetzt, im Oktober, nicht mehr. Unter diesen Vorzeichen geht es am nächsten Morgen den Ellenbogen hinauf, ein Naturschutzgebiet in Privatbesitz, auf dem der nördlichste Punkt Deutschlands liegt, den wir allerdings irgendwie so gar nicht finden – also ja, wir sind schon da, aber von dem angekündigten Foto-Hot-Spot keine Spur, vielleicht ist der Schnipsel da vorne noch ein Stück weiter nördlich… aber egal, fast ist ja so gut wie ganz.
Am nächsten Tag geht es erst nach Westerland, dann nach Hörnum, ganz im Süden. Zunächst also Westerland, in einem Wort: furchtbar. Wir schlendern eine dieser Fußgängerzonen hoch, die vermutlich in den 70er hochgezogen wurden und in denen sich Euroshops, schäbige Boutiquen, Kneipen und Cafés zueinander gesellen, das Publikum entsprechend, hier ist Sylt nicht so, wie man es erwartet. Ich spare mir weitere Beschreibungen und weise darauf hin, dass wir Westerland nach einer guten Stunde auch schon wieder verlassen, ihm somit keine Chance auf einen zweiten Eindruck geben, aber manchmal will man ja auch gar nicht.
Hörnum hingegen ist äh anders. So wie List ist es ein kleiner Flecken, teils Fischerdorf, teils Rückzugsort vielgeschäftiger Erben, in dem sich Wohlbetuchte und Normalos das Heringsbrötchen in die Hand geben. Die Kinder springen auf dem Trampolin und wir blicken mit dem Flens in der Hand (merke an dieser Stelle: Nordfriesland Flens, Ostfriesland Jever – Helgoland egal, aber auch eher Jever) der Adler VI hinterher, die gerade auf „Kaffeefahrt“ hinausgeht.
Zurück geht es über „die Straße“ (es gibt ja nur eine, jedenfalls nur eine, die durchgehend von Süden nach Norden geht). Dass man in Restaurants ohne Reservierung kopfschüttelnd abgewiesen wird, brauche ich nicht groß zu erwähnen, das war auf Amrum ja auch schon so (auf Norderney im Hochsommer aber nicht). Erwähnt werden sollte hingegen mal das grandiose Bild, das man sieht, wenn man nachts zum Zähneputzen vor die Tür tritt und in den Himmel blickt. Schade, dass man nur 28 Zähne hat.
Der nächste Tag ist der Tag der Naturgewalten: Wind, Wellen, Steine und Jürgen Gosch. Zunächst der Strandspaziergang zum Durchpusten, hier kommen Wind und Wellen zum Tragen, nebenbei sammele ich Steine für meine äh Steinsammlung (yet to come). A bissl Platt bin ich, aber auch das gehört zu Inselbesuchen ja traditionell dazu, irgendwann kann man den vielen Wind und das Herumhuschen nicht mehr haben, braucht ein Sofa, eine Heizung und ein iPad (okay, oder auch ein gutes Buch).
Abends dann endlich: Gosch. Wir suchen Gründer und Patriarch Jürgen mit seinem Aal-Bauchladen, doch nein, den hat er ja nicht mehr, stattdessen ein Imperium der Fisch-Feinkost von Ems bis Uecker, in List hatte er seine erste Bude und immer noch Lokal und Laden, in dem uns kurz vor Schluss leider nur die Scholle bleibt. Das ist dann doch etwas ernüchternd.